Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Regionalgruppe Ostprignitz-Ruppin

Kabinett entkernt Mobilitätsgesetz – wird die Verkehrswende zum Papiertiger?

Heute hat das Landeskabinett den Gesetzesentwurf für das Brandenburger Mobilitätsgesetz beschlossen und in den Landtag eingebracht. Wir sind enttäuscht! Kernforderungen wie die Angebotorientierung sind unter die Räder gekommen.

Pressemitteilung
Volksinitiative "Verkehrswende Brandenburg jetzt!"

Kabinett entkernt Mobilitätsgesetz – wird die Verkehrswende zum Papiertiger?

Potsdam, den 4. September 2023: Heute hat das Landeskabinett den Gesetzesentwurf für das Brandenburger Mobilitätsgesetz beschlossen und in den Landtag eingebracht. Aus Sicht der Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“ bleibt der Gesetzentwurf der Landesregierung deutlich hinter dem Ergebnis des knapp zweijährigen Dialogprozesses zurück, welches in der gemeinsamen Pressekonferenz mit der rot-schwarz-grünen Koalition am 11.07.2023 der Öffentlichkeit präsentiert worden war.

Dazu erklärt Fritz Viertel, Landesvorsitzender des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD):

„Was das Kabinett heute dem Landtag vorlegt, entspricht in wesentlichen Teilen nicht mehr unserem gemeinsam erarbeiteten Gesetzentwurf. Stattdessen hat die Landesregierung das Mobilitätsgesetz weitgehend entkernt. Der politische Wille, die Verkehrswende in Brandenburg konsequent umzusetzen, ist nicht mehr erkennbar. Wir empfinden dieses Vorgehen als Respektlosigkeit gegenüber den zahlreichen Ehrenamtlichen, die über Jahre an der Entstehung des Mobilitätsgesetzes mitwirkten. Und nicht zuletzt gegenüber den rund 28.000 Brandenburgerinnen und Brandenburgern, die unsere Volksinitiative unterstützten.“

Franziska Sperfeld, Landesvorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), fügt hinzu:

„In der nun vorliegenden Form können wir den Gesetzentwurf nicht mehr mittragen. Wir erwarten von den Regierungsfraktionen von SPD, CDU und GRÜNEN, zu ihrem Wort zu stehen. Sie können den ursprünglichen Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren wiederherstellen. Anderenfalls droht – nach dem Insektendialog – auch der zweite Dialogprozess dieser Koalition mit erfolgreichen Volksinitiativen zu scheitern. Das wäre ein Armutszeugnis für die Landesregierung von Ministerpräsident Dietmar Woidke. Und es würde das schwindende Vertrauen der Ostdeutschen in die demokratischen Institutionen weiter befeuern.“

Christian Wessel, stellvertretender Landesvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), ergänzt:

„Der Entwurf des Mobilitätsgesetzes, den die Vertreterinnen unserer Volksinitiative mit dem Verkehrsministerium ausgehandelt hatten, stellte einen Minimalkonsens dar, für den die 17 Mitglieder unseres Bündnisses weitreichende Kompromisse gemacht haben. Trotzdem waren wichtige Ansätze für eine Verkehrswende erkennbar, wie der Paradigmenwechsel von einer nachfrage- zu einer angebotsorientierten Verkehrsplanung, die Menschen zum Umstieg auf das Rad und den ÖPNV motivieren sollte. Diese Stellschrauben wurden vom Kabinett aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Wird das Gesetz so beschlossen, bleibt es ein Papiertiger, der zwar Ziele formuliert, diese aber nicht erreichen kann.“

Über das Bündnis Verkehrswende Brandenburg

Unser Bündnis ist Träger der erfolgreichen Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“.
Unser Bündnis ist ein Zusammenschluss von Brandenburger Verkehrs- und Umweltverbänden, von Gewerkschaften und Jugendorganisationen. Es vertritt damit ein breites gesellschaftliches Spektrum. Das Bündnis wurde ins Leben gerufen von VCD Brandenburg, ADFC Brandenburg und BUND Brandenburg. Im Bündnis engagieren sich außer den genannten Verbänden auch Argus Potsdam, die Brandenburgische Studierendenvertretung, die BUND Jugend, Changing Cities, der Deutsche Bahnkundenverband, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Fridays For Future Brandenburg, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Greenpeace, Grüne Liga Brandenburg, der NABU Brandenburg, Potsdam autofrei, das Umweltbüro der Evangelischen Kirche und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen – Landesgruppe Ost (VDV Ost) für eine klimaverträgliche Mobilität in Brandenburg.

 

 

Hintergrund

Ergänzt am 21. September 2023 (nicht Teil der Pressemitteilung)

Um diese Inhalte geht es

Der Gesetzesentwurf, der am 11. Juli auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurde, stellt für uns einen Minimalkonsens dar. Im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens wurde der Entwurf jetzt in entscheidenden Punkten beschnitten. Unter anderem geht es um folgende Inhalte:

  1. Das ÖPNV-Gesetz wurde aus dem Mobilitätsgesetz herausgelöst.
  2. Das Bekenntnis zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs und das Ziel, auf eine Mobilitätsgarantie hinzuarbeiten, wurden gestrichen.
  3. Das Ziel eines barrierefreien ÖPNVs wurde gestrichen.
  4. Wir haben die Abkehr vom Prinzip der nachfrageorientierten Planung gefordert, die vor allem im ländlichen Raum zu immer weiteren Abbestellungen im öffentlichen Verkehr geführt hat. Dafür konnten wir das Prinzip der angebotsorientierten Planung für den Umweltverbund aus Rad- Fuß und öffentlichen Verkehr in das Gesetz hineinverhandeln. Dieser Paradigmenwechsel wurde wieder herausgestrichen.
  5. Die Beurteilung des Radwegenetzes als Voraussetzung für ein einheitliches Qualitätsniveau wurde gestrichen.
  6. Der Ausbau der präventiven Verkehrssicherheitsarbeit und die Förderung von Kinderunfallkommissionen als wichtiges Element zur besseren Analyse von Unfallschwerpunkten von Kindern und Jugendliche wurde unter Haushaltsvorbehalt gesetzt.

Ohne diese Festschreibungen ist für uns nicht erkennbar, wie das Gesetz sein selbstgestecktes Ziel, den Anteil des Umweltverbundes bis 2030 auf 60 Prozent zu erhöhen, erreichen will. Deshalb müssen alle zentralen Forderungen wieder hineinverhandelt werden.


https://opr.adfc.de/pressemitteilung/kabinett-entkernt-mobilitaetsgesetz-wird-die-verkehrswende-zum-papiertiger

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